Über das Osterreiten

Das Osterreiten oder der Osterritt ist ein altes religiöses Ritual in Form einer Prozession, bei welchem die Auferstehung Jesu Christi verkündigt wird. Es wird bis heute in der katholischen Oberlausitz im Gebiet zwischen den Städten Hoyerswerda, Kamenz und Bautzen als sorbischer Brauch gepflegt und zieht jährlich viele Besucher in die Region. Auch in Ostritz beim Kloster St. Marienthal wird ein Osterreiten veranstaltet. Ende der 1990er Jahre hat man den alten Brauch auch bei Lübbenau in der evangelischen Niederlausitz wiederaufleben lassen.

Ablauf

Am Morgen oder Mittag des Ostersonntags reiten die ausschließlich männlichen meist katholischen sorbischen Osterreiter (mind. 14 Jahre alt) einer Kirchengemeinde in Gehrock und Zylinder auf festlich geschmückten Pferden in die Nachbargemeinde, um dieser die frohe Botschaft zu verkünden, dass Jesus Christus auferstanden ist. Es ist Brauch, dass die besuchte Gemeinde einen Gegenbesuch durchführt. Jeder Prozessionszug, der aus bis zu 450 Reitern und Pferden bestehen kann, darf dabei den anderen traditionell nicht kreuzen. Zudem sind die Prozessionsstrecken bewusst so gelegt, dass es ermöglicht wird, in so vielen Orten wie möglich die Botschaft zu verkünden. Die traditionelle Streckenführung, zwischen 10 und 40 km lang, beschreibt dabei in etwa einen Kreis. Vorneweg reiten die Fahnenträger, die Träger der Christusstatue und des mit einer Stola geschmückten Kreuzes. Geritten wird jeweils paarweise nebeneinander.

Vor Beginn der Prozession wird gemeinsam der Ostergottesdienst gefeiert, danach umreiten die Osterreiter die heimatliche Kirche, werden gesegnet und begeben sich auf den Weg, die frohe Botschaft in Form von traditionellen Kirchenliedern ins Land zu tragen. Die Kirche bzw. der Dorfplatz eines jeden Ortes, durch den der Zug führt, wird ebenfalls umritten. Dabei werden sorbische und auch lateinische Kirchenlieder gesungen; kurz vor Ausritt und teilweise auch zwischen den Ortschaften wird laut gebetet. Die Reiter des deutschen Prozessionsteiles der Kleinstadt Wittichenau singen und beten auf deutsch und lateinisch, ebenso die Ostersaatreiter von Ostritz zum Kloster Marienthal an der Lausitzer Neiße.
In der besuchten Zielgemeinde werden die Reiter durch den dortigen Geistlichen gemeinsam mit Ministranten begrüßt und danach beköstigt. Vor dem Heimritt wird gemeinsam vor dem Friedhof oder in der Kirche gebetet und die Reiter werden ebenfalls vom Pfarrer gesegnet.

Den Abschluss des Osterfestes bildet seit 1983 ein gemeinsamer Dankgottesdienst aller Reiter in der Rosenthaler Kirche am Osterdienstag sowie in der Wittichenauer Kirche.

Pferde und Reiter

Die oftmals reich geschmückten Pferde werden zum Teil von weit her ausgeliehen. Am Karsamstag werden diese dann gebürstet und gestriegelt, die Mähnen werden vor dem Flechten gewaschen; ebenso der Schweif, bevor er gekämmt und mit einer Schleife versehen wird. Die Schleifen sind mit bunten Stickereien versehen, nicht selten mit den sorbischen Farben. Im Trauerfall werden schwarze Schleifen verwendet. Das Pferdegeschirr ist aufwändig mit Muscheln oder Metallbeschlägen verziert. In den letzten Jahren sieht man immer häufiger auch frische Blumen als Schmuck. Das Zaumzeug und die Satteldecken stammen häufig aus Familienbesitz.

Die Osterreiter sind festlich gekleidet, inzwischen reiten alle in schwarzem Gehrock, Stiefeln und Zylinder.

Nimmt ein junger Mann bzw. Jugendlicher ab 14 Jahre das erste Mal am Osterreiten teil, trägt er einen kleinen grünen Kranz an der Brust. Bei der 25. Teilnahme ist dies dann ein Silberkranz, bei 50 Jahren ein goldener.

Die neun Prozessionen zählen jeweils zwischen 50 und 400 Osterreiter, sie besitzen im Äußerlichen kleine Eigenheiten.

Geschichte und Ursprung

Die Ursprünge des Osterreitens in vorchristlicher Zeit sind nicht durch Quellen belegbar. Plausibel ist die Annahme, dass das Umschreiten oder Umreiten der Felder im Frühjahr bei den heidnischen Slawen die Saat und die Ernte vor Schaden bewahren sollte. Dieser nicht nur slawische Brauch des Bittganges findet sich bis heute in vielen katholischen Gegenden. In Verbindung mit dem Osterfest kann man dies in Ostro beobachten, wo die Männer vor dem eigentlichen Osterritt erst noch frühmorgens die Felder umreiten.

Das Osterreiten als Prozession zu Ehren des Auferstandenen bereits in vorreformatorischer Zeit gilt als historisch gesichert. Elemente mittelalterlicher Zeremonien wie die Fahnen als Herrschaftssymbol und die geschmückten Pferde verweisen nach Ansicht einiger auf diese Entstehungszeit. Das Osterreiten ist hier eingebunden in das reiche kirchliche und bäuerliche Brauchtum der katholischen Kirche sorbischer Prägung.

Bereits Ende des 15. Jahrhunderts fanden zwischen Hoyerswerda und Wittichenau Reiterprozessionen statt. Seit 1541 zog die Prozession von Wittichenau nach Ralbitz, da in Hoyerswerda die Reformation eingeführt worden war. Damit ist dieses Prozessionspaar das älteste bis heute bestehende.

Infolge der Reformation wurden die Prozessionen in den protestantischen Dörfern ab 1600 schrittweise eingestellt, weil man darin einen „papistischen Missbrauch“ des Glaubens erblickte. Auch in anderen Gemeinden waren die Umritte, etwa in Kriegszeiten, unterbrochen. Spätestens Mitte des 19. Jh. wurde das Osterreiten im kath. Gebiet zu einer markanten Tradition, bei der die bäuerliche Bevölkerung ihr religiöses und nationales Selbstbewusstsein vorführen konnte.

Seit der Revolution von 1848/49 werden auch die sorbische Farben Blau-Rot-Weiß für die Schwanzschleifen der Pferde verwendet.
Sorbische Osterreiter beteiligten sich 1889 am Festumzug zur 800-Jahr-Feier der Herrschaft der Wettiner und 1896 während der Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes, jeweils in Dresden.

Die Teilnehmerzahlen stabilisierten sich, das Interesse auswärtiger Besucher wuchs.
Seit 1900 gliedert sich der Wittichenauer Zug in einen sorbischen und einen deutschen Teil.

Vor dem 1. Weltkrieg waren in den damals acht Osterprozessionen (Bautzen kam erst 1928 hinzu) insgesamt etwa 600 Reiter unterwegs.

In der DDR äußerte sich die Ablehnung der religiösen Zeremonie durch die Behörden zeitweilig in organisatorischen Behinderungen.
1958 wurde dennoch die 700er-Marke überschritten.
Nach der Kollektivierung der Landwirtschaft ging die Anzahl der Reiter zurück, 1974 sank sie aufgrund von Pferdemangel auf 487, zwei Züge setzten eine Zeit lang aus.

Durch das Ausleihen von Pferden in der näheren und weiteren Umgebung stieg die Teilnehmerzahl wieder an.
1990 überschritt sie die 1.200, 2000 die 1.600 und 2010 betrug sie nahezu 1.700.
Die Anzahl der Zuschauer in den Pfarrdörfern und an den Strecken erreicht bei gutem Wetter die 50.000.
Der Charakter einer Kulthandlung ohne Anzeichen eines Volksfests wurde bislang gewahrt.

Gegenwärtig gibt es in der katholischen Oberlausitz vier Prozessionspaare und eine Prozession ohne Gegenbesuch. Die traditionellen Routen sind:

  • Wittichenau–Ralbitz
  • Crostwitz–Panschwitz-Kuckau
  • Radibor–Storcha
  • Nebelschütz–Ostro
  • Bautzen–Radibor (ohne Gegenbesuch)

Die Prozession der Stadt Wittichenau ist die einzige, bei der sich auch viele deutsche (ca. 50 %) Osterreiter beteiligen.

Die Geschichte des Osterreitens in der Gemeinde Radibor

Auch die Geschichte des Radiborer Osterreitens reicht weit in das Mittelalter zurück. So wurde Radibor im Jahr 1623 durch die so genannte „Osterreiterschlacht“ bekannt. Der damalige Gutsbesitzer Christoph von Minkwitz untersagte den Osterreitern den Ritt auf den Friedhof um die damalige Pfarrkirche.

Mit aller Gewalt wollte er Luthers Glauben in Radibor durchsetzen – deshalb verbot er jegliche katholische Aktivitäten. Natürlich haben sich das die Radiborer Osterreiter nicht gefallen lassen und lieferten sich mit Minkwitz‘ Dienern oben genannte Schlacht. Erst im Jahr 1776 kam es dazu, dass die Radiborer Prozession für mehr als 100 Jahre aussetzte. 1882 kam es zur Wiederbelebung des Osterreitens in Radibor.

1882 entstand zudem die Osterreiterprozession der neugegründeten, benachbarten Kirchgemeinde Storcha. Bis auf einige Ausnahmen besuchen die Radiborer und Storchaer Osterreiter nun die jeweilige Nachbargemeinde, ohne sich dabei zu begegnen. In den Jahren 1973-1977 konnte die Storchaer Prozession aufgrund der rapiden Abnahme des Pferdebestandes (Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft) nicht zusammengestellt werden.

Das nachfolgende Bild zeigt die vermutlich Radiborer Prozession an der Milkwitzer Mühle im Jahr 1953:

Gesellschaftliche Volkskultur

Zeitplan der Radiborer Prozession

Radibor ab 11.45 Uhr
Milkwitz ca. 12.40 Uhr
Strohschütz ca. 12.50 Uhr
Storcha an 13.45 Uhr
Heimritt ab 15.30 Uhr
Strohschütz ca. 16.25 Uhr
Milkwitz ca. 16.45 Uhr
Radibor an 17.30 Uhr

Zeitplan der Storchaer Prozession

Storcha (Hinweg nicht über Milkwitz bzw. Strohschütz) ab 11.45 Uhr
Radibor an 13.45 Uhr
Heimritt ab 15.30 Uhr
Milkwitz ca. 16.25 Uhr
Strohschütz ca. 16.35 Uhr
Storcha an 17.30 Uhr

Quellverweis Bilder: Sorbisches Institut Bautzen e.V.
Quellverweis Texte: Wikipedia zum Thema Osterreiten, Geschichte der Osterreiter auf osterreiten.com und Osterreiten in Radibor auf radibor.de

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